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Diagnoseirrtum: Kein Schadensersatz bei außergewöhnlicher Anomalie

Eine Falschbehandlung durch den Arzt des Vertrauens ist nie gut. Doch für eine Haftung kommt es immer auf den Einzelfall an.

Eine Frau hatte eine Uterusanomalie, die jedoch nicht sofort erkannt wurde. Sie hatte nämlich eine doppelte Anlage von Vagina und Uterus. Das erkannte ihr Gynäkologe allerdings nicht und setzte ihr in die eine Vagina eine Spirale zur Empfängnisverhütung ein. Ca. zwei Jahre später wurde sie trotzdem schwanger und bekam eine gesunde Tochter. Nun verlangte sie vom Arzt Schadensersatz. Dieser hätte bei der von ihm durchgeführten Ultraschallkontrolle die Anomalie erkennen müssen. Als Schaden machte sie ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR, einen Verdienstausfall von ca. 28.000 EUR und den Ersatz von Unterhalts- und Betreuungsleistungen für ihre Tochter bis zum Eintritt der Volljährigkeit geltend. Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage ab. Einen Behandlungsfehler konnte es nicht erkennen. Für die Anomalie der Frau hatten keinerlei Hinweise bestanden. Nach einer zweiten Vagina musste der Arzt auch nicht suchen. Der Arzt hatte schließlich aus seinen Befunden einen falschen Schluss gezogen – ein Diagnoseirrtum. Dieser Irrtum wird aber erst dann zu einem Diagnosefehler, wenn er medizinisch nicht vertretbar ist. Davon konnte man hier aber nicht ausgehen.

Hinweis: In diesem Fall ging die Patientin also leer aus und erhielt kein Schmerzensgeld. Der Fall war so außergewöhnlich, dass dem Arzt die Anomalie nicht auffallen musste.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 29.05.2015 – 26 U 2/13

Thema: Arzthaftungsrecht

Teilungserklärung: Eine Ladenfläche kann nicht einfach zur Gaststätte werden

Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft haben sich an die Teilungserklärung zu halten.

In einer Wohnungseigentumsanlage gab es nach der Teilungserklärung eine Fläche, die als Ladenraum deklariert wurde. Seit 2007 wurde darin dann eine Gaststätte betrieben, die bis in die frühen Morgenstunden geöffnet war. Das wollten sich andere Eigentümer nicht bieten lassen und fassten einen Beschluss, wonach eine Öffnung nur noch bis 1:00 Uhr morgens erlaubt sein sollte. Und das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof entschied. Denn: Durch die Kennzeichnung als Laden durfte die Fläche laut Teilungserklärung gar nicht als Gaststätte betrieben werden. Zwar kann eine jahrelange zweckwidrige Nutzung dazu führen, dass die anderen Eigentümer sich nicht mehr auf ihre Rechte berufen dürfen, da diese verwirkt sind. Das gilt aber dann nicht, wenn neue und vor allem nachteilige Veränderungen vorgenommen werden. Und vor dem Jahr 2007 war die Gaststätte nicht bis in die späten Nachtstunden betrieben worden.

Hinweis: Ein Blick in die Teilungserklärung hätte in diesem Rechtsstreit für viel Klarheit gesorgt. Schon mehrfach haben die Gerichte entschieden, dass ein Laden keine Gaststätte ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 169/14

Thema: Mietrecht

Geschwindigkeitsüberschreitung: Zweifel aufgrund möglicher Messauslösung durch optischen Effekt

Wenn ein Sachverständiger in seinem Gutachten zu einer Geschwindigkeitsmessung zum Ergebnis kommt, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst haben kann, ist es vertretbar, den Beklagten vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freizusprechen.

Dem Fahrer eines Pkw wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Er berief sich darauf, dass möglicherweise ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst habe, was der vom Gericht bestellte Sachverständige nicht ausschließen konnte. Das Amtsgericht (AG) sprach den Betroffenen deshalb vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung frei.

Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Entscheidung des AG bestätigt. Auch wenn es sich bei der Messung mit dem verwendeten Geschwindigkeitsmessgerät (ESO 3.0) um ein standardisiertes Messverfahren handelt, führt dies nicht dazu, dass es einem Gericht untersagt ist, die von einem Sachverständigen geäußerten Zweifel zu teilen. Im hier zu entscheidenden Fall hat der Sachverständige festgestellt, dass sechs Messungen der Messreihe nicht nachvollzogen werden konnten. Damit ist die Vermutung korrekter und nachvollziehbarer Messungen hinsichtlich der gesamten Messreihe dieses Tages zumindest erschüttert. Wenn der Sachverständige weiterhin ausführt, im Fall des Fahrzeugs des Betroffenen sei nicht auszuschließen, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst habe, ohne dass der Fahrer schuldhaft daran beteiligt war, ist es vertretbar, diesen freizusprechen.

Hinweis: Bei standardisierten Messverfahren können Gerichte grundsätzlich ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen davon ausgehen, dass die Messungen korrekt erfolgt sind, wenn durch den Betroffenen keine konkreten Einwendungen erhoben wurden. Wie der vorliegende Fall zeigt, muss das Gericht allerdings bei konkreten Anhaltspunkten die Geschwindigkeitsmessung durch einen Sachverständigen überprüfen lassen.

Quelle: OLG Naumburg, Beschl. v. 16.12.2014 – 2 Ws 96/14

Unzulässig: Betriebsversammlung als Arbeitskampfmaßnahme

Betriebsräte haben bestimmte Rechte und Pflichten. Nur eins dürfen sie nicht tun: sich in einen Arbeitskampf einmischen.

Der Betriebsrat eines Paketzentrums hatte ursprünglich eine Betriebsversammlung für den 27.10.2014 angesetzt. Die Gewerkschaft Ver.di rief dann zu dreistündigen Betriebsversammlungen in den Paketzentren der Post am 05.12.2014 in der Hauptbearbeitungszeit ab 18:00 Uhr auf. Der Betriebsrat verlegte daraufhin die Betriebsversammlung entsprechend auf diesen Termin und stimmte der Ableistung von Überstunden sowie dem Einsatz von Ersatzkräften nicht zu.

Dem widersetzte sich der Arbeitgeber, indem er zahlreiche Verwaltungsbeschäftigte einspannte, ohne den Betriebsrat zuvor um Erlaubnis zu den Versetzungen gefragt zu haben. Der Betriebsrat hielt dies für eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten und zog vor das Arbeitsgericht. Dieses war allerdings der Auffassung, dass in diesem speziellen Fall das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet werden musste. Es war hier nämlich eingeschränkt, da der Arbeitgeber den Folgen des Arbeitskampfs begegnen musste. Und die Verlegung der Betriebsversammlung ohne Angabe eines vernünftigen Grunds auf die Hauptarbeitszeit hatte das Gericht als Arbeitskampfmaßnahme angesehen.

Hinweis: Ein wirklich interessanter Fall. Betriebsräte sollten eins nicht vergessen: Für Streiks sind die Gewerkschaften zuständig, nicht die Betriebsräte.

Quelle: ArbG Kiel, Urt. v. 27.05.2015 – 1 BV 1b/15

Thema: Arbeitsrecht

Versorgungsausgleich: Lange Frist zwischen Entscheidung und Renteneintritt birgt Stolperfallen

Beim Versorgungsausgleich wird im Zuge eines Scheidungsverfahrens ermittelt, welche Versorgungsanwartschaften jeder Ehegatte für das Rentenalter erworben hat. Soweit ein solches Versorgungsanrecht während der Ehe erworben wurde, hat ein Ehegatte dem anderen gegenüber einen Anspruch auf eine 50%ige Beteiligung. Was aber gilt, wenn sich die bei der Scheidung zum Versorgungsausgleich ausgesprochene Regelung später als falsch herausstellt?

Das Problem: Die bei der Scheidung vorgenommene Regelung zum Rentenausgleich wirkt sich erst im Alter aus, weil erst dann die Leistungen der Rententräger erfolgen. In der Zwischenzeit kann sich sehr viel geändert haben – unter anderem auch die gesetzlichen Regelungen, die in Sachen Rentenrecht oft novelliert werden. Infolgedessen kann es rein durch eine Veränderung der rentenrechtlichen Regelungen geschehen, dass die im Alter tatsächlich erfolgende Rentenleistung niedriger oder höher ausfällt, als es mit der einstigen Regelung zu erwarten war. Ist dieser Unterschied wesentlich, kann eine Korrektur der Regelung zum Versorgungsausgleich verlangt werden.

Hinweis: Ehegatten erwerben mitunter Versorgungsanwartschaften bei verschiedenen Versorgungsträgern. Ergeben sich bei einer dieser Versorgungsanwartschaften wesentliche Veränderungen, kann die Entscheidung nicht isoliert – also nur zu dieser einen Versorgungsanwartschaft – korrigiert werden. Vielmehr müssen dann alle Versorgungsanwartschaften überprüft werden (sogenannte Totalrevision). Professioneller Rat ist also bei diesem Thema dringend angeraten.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 30.01.2015 – II-6 UF 98/14

Thema: Familienrecht

Rechtsweg einhalten: Verfassungsbeschwerde gegen Mietpreisbremse

Seit Juni 2015 ist das Mietrechtsnovellierungsgesetz in Kraft getreten und damit die sogenannte Mietpreisbremse.

Danach darf die Miete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt bei neu abgeschlossenen Wohnraummietverträgen höchstens 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Daraufhin hat Berlin gleich sein gesamtes Stadtgebiet als eine solche Zone ausgewiesen. Ein Wohnungseigentümer aus Berlin empfand die Regelung als verfassungswidrig und meinte, seine Wohnung nicht mehr angemessen vermieten zu können. Er zog vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dieses hat seine Verfassungsbeschwerde aber erst gar nicht angenommen, da zunächst der normale Zivilrechtsweg beschritten werden muss.

Hinweis: Es gilt das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Der Vermieter kann beispielsweise die erhöhte Miete einklagen; ein Zivilgericht kann dann dem BVerfG die Frage der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelungen vorlegen. Der Vermieter darf aber nicht gleich zum BVerfG laufen.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 24.06.2015 – 1 BvR 1360/15

Thema: Mietrecht

Nivea-Blau: Meinungsforschungsgutachten klärt Eintragungsfähigkeit der Farbe als Marke

Manchmal wundert man sich tatsächlich, über was alles gestritten wird.

In diesem Fall geht es um die Löschung einer Farbmarke. Gestritten hatten sich zwei Unternehmen, die im Bereich der Haut- und Körperpflegeprodukte miteinander seit Jahren konkurrierten. Im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts war das Nivea-Blau als Farbmarke eingetragen. Das andere Unternehmen war allerdings der Auffassung, dass dieses nicht richtig war. Denn eine abstrakte Farbmarke sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig. Blau werde gerade für Haut- und Körperpflegeprodukte häufig verwendet. Während das Bundespatentgericht (BPatG) noch die Löschung der Marke angeordnet hatte, hob der Bundesgerichtshof (BGH) den Beschluss auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Grundsätzlich sind abstrakte Farbmarken nicht unterscheidungskräftig und deshalb nicht eintragungsfähig. In diesem Fall könnte es allerdings sein, dass sich die Farbmarke für die in Rede stehenden Waren als Marke durchgesetzt hat und deshalb nicht gelöscht werden darf. Voraussetzung dafür ist, dass mehr als 50 % des Publikums in der Farbe ein Produktkennzeichen sehen. Das muss das BPatG nun noch feststellen. Und der BGH sagte auch gleich, wie dieses zu geschehen hat: Es muss ein Meinungsforschungsgutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen eingeholt werden. Insbesondere darf den zu Befragenden nicht, wie bisher, eine Farbkarte mit einer weißen Umrandung gezeigt werden. Denn die Nivea-Creme weist auch in ihrer Verpackung eine Kombination der Farben Blau und Weiß auf.

Hinweis: Das BPatG wird also ein Meinungsforschungsgutachten einzuholen haben, in dem Personen blaue Karten vorgehalten werden müssen. Sagen dann 50 %, dass sie bei der blauen Farbe direkt an Nivea denken, ist die Farbe eintragungsfähig.

Quelle: BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – I ZB 65/13

Thema: Sonstiges

Reparaturbestätigung: Gutachterkosten nach selbst durchgeführter Reparatur sind erstattungsfähig

Lässt sich ein Geschädigter nach einem Unfall die von ihm selbst durchgeführte Reparatur des Fahrzeugs durch einen Sachverständigen bestätigen, sind die hierdurch entstehenden Kosten erstattungsfähig.

Nach einem unverschuldeten Unfall ließ der Geschädigte durch einen Kfz-Sachverständigen die Reparaturkosten an seinem Fahrzeug schätzen. Die Reparatur führte er in Eigenregie durch. Anschließend ließ er sich durch denselben Sachverständigen die vollständige Reparatur des Fahrzeugs bestätigen. Die hierdurch entstandenen Kosten wurden von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht gezahlt.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Braunschweig sind die Kosten für eine Reparaturbestätigung allerdings zu ersetzen. Dem Geschädigten kann nicht vorgeworfen werden, dass er sich erneut an den Sachverständigen wandte, um sich die ordnungsgemäße Durchführung einer Reparatur bestätigen zu lassen. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht. Grundsätzlich steht es einer geschädigten Person frei, wie sie die Durchführung einer Reparatur nach einem Verkehrsunfall nachweist. Selbst wenn es möglicherweise eine kostengünstigere Alternative gibt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass diese die einzige ist, die von einem Unfallgeschädigten einzuschlagen und somit betreffend des Schadens erstattungsfähig wäre. Es steht dem Geschädigten frei, welche Art der Schadensregulierung er begehrt und welche Modalitäten er für einen notwendigen Nachweis gegenüber der Versicherung für angemessen hält.

Hinweis: Die Bestätigung einer vollständig und fachgerecht durchgeführten Reparatur durch einen Sachverständigen hat für den Geschädigten nur Vorteile. Sollte es in dem unfallgeschädigten Bereich zu einer weiteren Beschädigung kommen, kann der Geschädigte durch die Bestätigung des Kfz-Sachverständigen die Reparatur nachweisen, so dass ein Verweis auf unreparierte Vorschäden ins Leere geht.

Quelle: AG Braunschweig, Urt. v. 24.07.2014 – 114 C 469/13

Fristlos gekündigt: Umfangreiches Brennen von privaten DVDs bei der Arbeit

Während der Arbeitszeit hat der Arbeitnehmer zu arbeiten. Eigentlich ein klarer Grundsatz, der aber vielfach gebrochen wird.

In dem Fall ging es um einen Angestellten, der bei einem Oberlandesgericht IT-Verantwortlicher war. Es wurde festgestellt, dass er innerhalb von zweieinhalb Jahren über 1.100 DVDs während der Arbeitszeit gebrannt hatte. Dafür erhielt er die fristlose Kündigung. Er verteidigte sich mit dem Argument, dass nicht nur er, sondern auch andere Arbeitnehmer mitgewirkt hätten. Das machte das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht mit. Es sieht eine Kündigung auch dann als rechtswirksam an, wenn nicht sämtliche Kopien von dem Angestellten selbst gefertigt wurden. Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich seinen PC für private Zwecke nutzen durfte, stand einer Kündigung nicht grundsätzlich entgegen. Denn ein solch ausuferndes Vorgehen war vom Arbeitgeber sicherlich nicht erlaubt. Zudem urteilten die Richter, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei verhaltensbedingten Kündigungen keine Anwendung findet. Zudem waren die Taten der anderen Arbeitnehmer mit denen des IT-Verantwortlichen nicht vergleichbar.

Hinweis: Das unbefugte Kopieren von eigenen Dateien auf DVD- oder CD-Rohlinge des Arbeitgebers während der Arbeitszeit kann eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Quelle: BAG, Urt. v. 16.07.2015 – 2 AZR 85/15

Thema: Arbeitsrecht

Versorgungsausgleich: Abänderung einer Entscheidung erst ab Einleitung des gerichtlichen Verfahrens

Im Normalfall wird mit der Scheidung auch geregelt, was mit den in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften geschieht. Es wird ermittelt, in welcher Höhe jeder Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften begründet hat, um jeweils die Hälfte auf den anderen Ehegatten zu übertragen.

Die so bei Scheidung erfolgte Verteilung kann sich durch die weitere Entwicklung später als nicht mehr richtig herausstellen. Der weitere berufliche Werdegang hat aber oft nicht nur Einfluss auf die später erworbenen Versorgungsanwartschaften. Er kann auch rückwirkend die früher erworbenen verändern und damit auch die, die in der unterdessen bereits beendeten Ehezeit erwirtschaftet wurden.

Das Gesetz sieht für diese Fälle vor, dass eine Abänderung der bei der Scheidung erfolgten Regelung zum Versorgungsausgleich möglich ist.

Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich, die bei der Scheidung getroffen wird, steht zunächst einmal gewissermaßen nur auf dem Papier. Von der Übertragung bei Scheidung vom Rentenversicherungskonto des (im bisherigen Regelfall) Mannes auf das der Frau hat diese erst einmal nichts, da sie die Leistungen erst nach Eintritt in das Rentenalter beziehen kann. Für den Mann ist die Reduktion des späteren Renteneinkommens im Moment des Erlasses der Entscheidung ebenso wenig mit sofort feststellbaren Vermögenseinbußen verbunden. Auswirkungen ergeben sich erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Versorgungsleistungen bezogen werden.

Schlecht ist es dennoch, wenn erst einmal bis zum Eintritt in das Rentenalter abgewartet wird, wie sich die bei Scheidung ausgesprochene Umverteilung der Rentenanwartschaften auswirkt, bis ein Abänderungsverfahren in Betracht gezogen wird. Denn die Abänderung kann nicht rückwirkend verlangt werden. Sie wird erst ab dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ein gerichtliches Verfahren auf Abänderung eingeleitet wurde. Wenn also erst einmal ein Jahr lang weniger Rente über den Versorgungsausgleich bezogen wird, als eigentlich hätte bezogen werden können, kann der Differenzbetrag rückwirkend nicht mehr verlangt werden.

Hinweis: Der Versorgungsausgleich ist diffizil. Er sollte nicht ohne fachkundige Hilfe geregelt werden.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.04.2015 – 13 UF 30/15

Thema: Familienrecht