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Schlagwort: OLG Stuttgart

Wohnungsüberlassung nach Trennung: Rückkehrabsichten müssen binnen sechs Monaten nach Auszug geltend gemacht werden

Eine Trennung kann bekanntermaßen zu erheblichen Streitigkeiten um die Ehewohnung führen, wenn diese bislang von beiden Ehegatten jeweils für sich in Anspruch genommen wurde. Mitunter führt dies auch zu einem gerichtlichen Verfahren. Eines wurde jüngst vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) geführt.

Die betreffende Ehewohnung gehörte beiden Ehegatten gemeinsam und bestand aus einer Hauptwohnung sowie einer Einliegerwohnung. Im Zuge der Trennung verblieb die Frau 2014 in der Hauptwohnung, während der Mann in die Einliegerwohnung zog. Schließlich zog der Mann 2017 dann in eine andere Wohnung. Im März 2019 macht er dann geltend, dass er die Einliegerwohnung ab Mai wohl wieder benötige, da der Vermieter seiner jetzigen Wohnung ihm wegen Eigenbedarfs gekündigt habe. Die Frau wendete sich mittels einer einstweiligen Anordnung an das Gericht und begehrte die Feststellung, dass ihr die Nutzung der gesamten Einliegerwohnung zustehe.

Das OLG gab dem Antrag statt und verweigerte dem Mann den (Wieder-)Einzug in die (Einlieger-)Wohnung. Die Begründung der Entscheidung ist so einfach wie klar, denn nach dem Gesetz gilt: Zieht einer der Ehegatten aus der Ehewohnung aus und erklärt er nicht binnen sechs Monaten seine Rückkehrabsicht, hat er damit sein Nutzungsrecht der Wohnung dem anderen Ehegatten überlassen. Ein bis dahin bestehender Rückkehranspruch fällt mit Ablauf dieser Frist weg. Und hier war die Zeit eindeutig verstrichen.

Hinweis: Bei Trennungen macht ein Ehegatte oft geltend, dass es sinnvoller sei, dass der andere das Familienheim verlasse – vor allem, wenn die gemeinsamen minderjährigen Kinder im Haus bleiben sollen bzw. wollen. Mag dies noch so sinnvoll sein: Ein Weichen eines Ehegatten kann nur verlangt werden, wenn das notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Die Anforderungen, um vom Vorliegen einer solchen unbilligen Härte ausgehen zu können, sind dabei hoch.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2019 – 17 UF 118/19

Thema: Familienrecht

Besitzurkunde entscheidet: Für „Trennungshunde“ gibt es keine gesetzliche Regelung zum Umgangsrecht

Sind sich im Trennungs- und Scheidungsfall beide Elternteile einig und können sie eine reibungslose Kommunikation nachweisen, ist bei der Frage der künftigen Sorge gemeinsamer Kinder das sogenannte Wechselmodell die paritätischste aller Lösungen. Doch in den heutigen Zeiten geht es bei einer Trennung nicht mehr nur um die künftige Kinderbetreuung und -fürsorge, sondern vermehrt auch um den einstigen Familienhund. Wie es sich hier verhält, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) klären.

Beide Ehegatten hatten sich noch vor der Hochzeit einen Hundewelpen von der Tierhilfe angeschafft, das heißt, für 450 EUR (Schutzgebühr) gekauft. Die betreffenden Urkunden wiesen dabei den Mann als Eigentümer aus. Nach der Trennung verblieb der Hund auch beim Mann und damit auch im früheren ehelichen Haus mit großem Garten. Relativ bald nach der Trennung brach der Kontakt zwischen der Frau und dem Hund ab. Sie leitete dann aber ein Verfahren ein und beantragte die Herausgabe des Hundes und ein regelmäßiges Umgangsrecht.

Erst- und zweitinstanzlich wurden die Anträge der Frau abgewiesen. Tiere haben zwar in gewisser Hinsicht rechtlich einen Sonderstatus, ein Streit um ein Tier ist familienrechtlich aber in keinem Fall wie eine Kindschaftssache zu behandeln. Fragen nach dem Wohl des Tiers spielen deshalb für die Fallbeurteilung auch keine Rolle. Vielmehr – so das OLG ausdrücklich – ist die Frage, ob ein Tier von einem Ehegatten an den anderen herauszugeben ist, allein danach zu beurteilen, wer Eigentümer des Tiers ist. Da im zur Entscheidung anstehenden Fall der Hund dem Mann gehörte und das Tier auch bei ihm lebte, konnte er es also behalten. Die Frage nach einem Besuchs- oder Umgangsrecht beantwortete das Gericht ebenso klar und eindeutig: Ein Umgangsrecht ist für Kinder geregelt, nicht aber für Tiere. Denn da es dazu keine gesetzliche Regelung gibt, gibt es auch kein Umgangsrecht für Tiere. Ergänzend führte das OLG noch aus, dass es den Umgang auch nicht für tierwohladäquat angesehen hätte, da die Frau den Hund unterdessen drei Jahre nicht gesehen hatte.

Hinweis: Für Hundeliebhaber klingt die Entscheidung hart. Aber sie entspricht der Gesetzeslage. Also heißt es hier, bereits beim Erwerb eines Vierbeiners Obacht zu wahren.
 
 

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.04.2019 – 18 UF 57/19

Thema: Familienrecht

Pflichtteilsentzug wegen Diebstahls: Das gemeinsame Bewohnen eines Hauses reicht nicht für den Nachweis einer Verzeihung aus

Die Entziehung des Pflichtteils ist stets nur bei schweren Verfehlungen möglich. Zudem kann es dazu kommen, dass der Erblasser trotz einer solchen Verfehlung dem Erben verzeiht. Wurde dies jedoch nicht ausdrücklich geregelt, kann es zu Streitigkeiten kommen, wie der folgende Fall des Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) zeigt.

Eine Frau hatte in ihrem Testament ihrem Enkel den Pflichtteil entzogen, weil dieser ihr im Jahr 1992 einen größeren Geldbetrag gestohlen hatte. Wegen dieser Tat wurde er auch verurteilt. In den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod wohnte der Enkel jedoch mit der Frau in einem Haushalt. Nachdem sie verstarb, machte er dann geltend, dass die Pflichteilsentziehung nicht wirksam sei, da sie ihm verziehen habe. Das Gericht sah das jedoch anders.

Das OLG ging davon aus, dass der begangene Diebstahl ein ausreichender Grund für die Entziehung des Pflichtteils war. Der Enkel hatte seiner Großmutter, die selbst kaum Vermögen besaß, einen großen Betrag gestohlen, und die alte Dame hegte den Verdacht, dass es sich dabei um einen Wiederholungsfall handelte. Außerdem konnte das OLG auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Verzeihung erkennen. Eine solche liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die durch den Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet – er also das Verletzende der Kränkung als nicht mehr existent betrachtet. In diesem Fall konnte der Enkel nach Ansicht des Gerichts nicht darlegen, dass es durch seinen Einzug ins Haus der Erblasserin zu einem Wiederaufleben der familiären Beziehungen gekommen war. Darüber hinaus war die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt bereits an Demenz erkrankt, so dass das Gericht Zweifel daran hatte, dass sie noch in der Lage war, den moralischen Gehalt ihres Verhaltens zu begreifen und die Bedeutung einer etwaigen Verzeihung zu erkennen.

Hinweis: Eine Pflichtteilsentziehung kommt unter anderem infrage, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser schuldig gemacht hat. Ein solches Vergehen setzt schwerwiegende Fehlverhaltensweisen voraus, die es dem Erblasser unzumutbar machen, eine seinem Willen widersprechende Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten hinzunehmen. Verfehlungen gegen die Eltern fallen darunter, wenn durch sie nicht nur deren Eigentum und Vermögen geschädigt werden, sondern wenn sie darüber hinaus eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck bringen und eine besondere Kränkung des Erblassers bedeuten.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.01.2019 – 19 U 80/18

Thema: Erbrecht

Studium nach Berufsausbildung: Sobald der Lebensunterhalt selbst bestritten werden kann, steht der Elternunterhalt infrage

Dass Kindern Unterhalt zu gewähren ist, bis sie in der Lage sind, ihr Leben selbst zu finanzieren, klingt einfacher, als es ist. Denn was genau als hierbei „normaler“ Ausbildungsweg und was als nicht zulässige Abweichung ohne Finanzierung durch die Eltern anzusehen ist, beschäftigt Gerichte immer wieder – so wie hier das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG).

Eine junge Frau schloss die Schule mit der mittleren Reife ab und durchlief erfolgreich eine vierjährige Ausbildung zur Erzieherin. Als eine erhaltene Stellenzusage zurückgezogen wurde und andere Bewerbungen erfolglos blieben, nutzte sie eine unterdessen gesetzlich eröffnete Möglichkeit: Sie begann nach bestandener Aufnahmeprüfung ohne Fachabitur und ohne Berufspraxis das Studium der Sozialen Arbeit. Das entschied sie jedoch ohne vorherige Absprache mit den Eltern und nahm Bafög-Leistungen in Anspruch. Das Amt verlangte von den Eltern der Tochter daraufhin Unterhalt, also die Erstattung der staatlichen Leistungen. Doch hier war das Gericht anderer Meinung.

Das OLG stellte in seiner Entscheidung zunächst klar, dass Eltern ihren Kindern die Finanzierung einer Berufsausbildung schulden, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den Neigungen der Kinder am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern bewegt. Der Werdegang in der Reihenfolge „Mittlere Reife, Ausbildung, Studium“ ist dabei jedoch nicht mehr zu finanzieren. Wer angemessen die Schule mit dem Ziel der mittleren Reife besucht hat und danach eine Ausbildung durchläuft, kann seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Eltern ist nicht zuzumuten, danach noch ein Studium zu finanzieren. Ausnahmen sind zwar denkbar, eine solche sah der Senat im zur Entscheidung vorgelegten Fall nicht – zumal das Studium nicht aufgenommen worden wäre, hätte die junge Frau die erst zugesagte Stelle erhalten.

Hinweis: Das Ausbildungsverhalten junger Menschen hat sich verändert. Die Fälle des Ausbildungswegs Abitur – Lehre – Studium sind häufig. Aber auch dann ist nicht immer für das Studium zu zahlen.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.11.2018 – 11 UF 159/18

Thema: Familienrecht

Gesetzeslücke genutzt: Geschickter Schachzug führt zur Einstellung eines Bußgeldverfahrens

Nach einem Verkehrsverstoß ist bei Autofahrern die Angst vor einem Fahrverbot meist ungleich höher als aufrichtige Reue. Dass der Einfallsreichtum bei Verkehrssündern hier entsprechend groß ist, zeigt der folgende Fall, der in der Sachfrage zuerst vor dem Landgericht Tübingen und ableitend schließlich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) landete.

Ein Autofahrer erhielt von der Ordnungsbehörde einen Anhörbogen, wonach ihm aufgrund einer Geschwindigkeitsüberschreitung neben einer Geldbuße auch ein Fahrverbot angedroht wurde. Der Mann wandte sich an eine (bis zuletzt unbekannt gebliebene) Person, die auf einer Internetseite damit warb, die Ordnungswidrigkeit zu übernehmen. Gemäß der mit dieser Person getroffenen Absprache ließ der Bleifuß ihr den Anhörbogen zukommen und überwies im Gegenzug 1.000 EUR auf ein Schweizer Bankkonto. Im weiteren Verlauf füllte eine andere Person als „Betroffene/r“ den Anhörbogen aus, gab den Verstoß zu und gab Namen und Adresse einer nichtexistierenden Person an. Wer nun meint, dass dieses dreiste Husarenstück nicht klappen kann, irrt: Das gegen den Verkehrssünder eingeleitete Bußgeldverfahren wurde eingestellt, da er nicht innerhalb der Verjährungsfrist von drei Monaten als Fahrer ermittelt werden konnte.

Doch was hier jeden einigermaßen rechtsverständigen Menschen stört, machte auch die Staatsanwaltschaft hellhörig – sie erhob gegen denn Mann Anklage wegen falscher Verdächtigung. Doch auch das OLG sprach den Betroffenen in diesem Fall frei, weil er die falsche Behauptung nicht in Bezug auf eine andere tatsächlich existierende Person aufgestellt hat. „Ein anderer“ muss im Gesetzessinn eine tatsächlich existierende Person sein. Und wen es nicht gibt, den kann man auch nicht zu Unrecht verdächtigen, was sich aus Wortsinn, Systematik, Zweck des Gesetzes und Historie der Strafvorschrift ergibt. Die Strafvorschrift schützt neben der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege im weiteren Sinne vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme auch den Einzelnen vor ungerechtfertigten Verfahren und anderen Maßnahmen irregeführter Behörden.

Hinweis: Die durch das Gericht aufgezeigte Gesetzeslücke kann nur durch eine Gesetzesänderung geschlossen werden. Die Bundesjustizministerin wurde daher von Bund und Ländern bereits darum gebeten, zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der hier einschlägigen Strafnorm (§ 164 StGB) vorzunehmen.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 10.07.2017 – 24 Ns 24 Js 23198/16

Thema: Verkehrsrecht

Testament statt Teilungsanordnung: Erblassern steht eine ungleichmäßige Berücksichtigung ihrer Kinder zu deren Nachteil zu

Weist ein Erblasser in seinem Testament bestimmte Vermögenswerte den einzelnen Erben zu, stellt sich immer wieder die Frage, ob dies als Erbeinsetzung, als Vermächtnis oder als Teilungsanordnung zu verstehen ist.

Eine verwitwete Frau erstellte ein notarielles Testament, in dem sie ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Kurz darauf verfasste sie noch ein privatschriftliches Testament, in dem sie das notarielle Testament widerrief und genau ausführte, welche Grundstücke welches Kind bekommen solle und dass das Barvermögen zu gleichen Teilen aufzuteilen sei. Zwei der Kinder – die Söhne – beantragten nach dem Tod der Frau einen Erbschein, der sie als Erben zu jeweils ca. 42 % auswies, während das dritte Kind – eine Tochter – ca. 16 % erhalten sollte. Dies ergab sich aus dem Wert der im privatschriftlichen Testament zugedachten Grundstücke. Die Tochter wehrte sich dagegen und trug vor, dass das privatschriftliche Testament nur als Teilungsanordnung zu verstehen sei, die Mutter alle drei Kinder gleich bedenken wollte und dieser einfach nicht klar gewesen sei, dass die Zuweisung der einzelnen Grundstücke zu einem erheblichen Wertunterschied führen würde.

Das Gericht sah das allerdings anders. Es führte aus, dass das notarielle Testament wirksam widerrufen wurde und dass davon auszugehen ist, dass die Frau auch den Wert des größten vererbten Grundstücks kannte, da sie es in der Vergangenheit hatte schätzen lassen. Nach Auffassung des Gerichts lag auch keine Teilungsanordnung vor, da ein Wille, die Kinder ungeachtet der Zuordnung konkreter Gegenstände weiterhin zu je einem Drittel als Erben einzusetzen, im privatschriftlichen Testament nicht deutlich wird. Hätte die Frau das gewollt, hätte es nahegelegen, die Tochter beim Barvermögen entsprechend stärker zu bedenken oder jedenfalls eine Pflicht zum Ausgleich unter den Geschwistern ausdrücklich festzuhalten. Wenn ein Erblasser durch eine letztwillige Verfügung seine gesamten Vermögensgegenstände einzeln und in unterschiedlichem Wert seinen Kindern zugewendet hat, ist zudem regelmäßig von der Anordnung unterschiedlicher Erbquoten und nicht von der Anordnung von Vorausvermächtnissen bei gleichen Erbquoten auszugehen.

Hinweis: Mit einer Teilungsanordnung kann ein Erblasser bestimmen, wie und an wen bestimmte Nachlassgegenstände verteilt werden sollen. Die Teilungsanordnung verändert aber nicht die Erbquoten der Erben. Erhält ein Miterbe aufgrund der Teilungsanordnung einen bestimmten Nachlassgegenstand, dessen Wert höher ist als seine Erbquote, muss er den Mehrwert gegenüber seinen Miterben ausgleichen. Eine „wertverschiebende“ Teilungsanordnung gibt es also nicht. Soll ein Miterbe also bevorzugt werden, kann der Erblasser ihm ein Vorausvermächtnis zuwenden, das er vor Teilung des Nachlasses erhält und das den gesamten Nachlass somit im Wert verringert.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.06.2018 – 8 W 198/16

Thema: Erbrecht

Keine Exkulpationsmöglichkeit: Ein Kamel gilt bei Schadensfragen in Deutschland nicht als Haus- oder Nutztier

Jeder Tierbesitzer sollte wissen, dass er für Unfälle zu haften hat, die durch seine/n tierischen Gefährten verursacht werden. Welche Grundlagen für die entsprechende Tierhalterhaftung und welche Voraussetzungen für entsprechende Ausnahmen gelten, zeigt der folgende Fall.


Auf einer Kamelfarm in Deutschland verunglückte eine Frau, die auf einem der Kamele saß, die an einer Kette geführt wurden. Als sich die Tiere durch Hundegebell erschraken und eine abrupte Linksdrehung machten, stürzte sie aus einer Höhe von knapp zwei Metern zu Boden und erlitt dabei schwere Kopfverletzungen. Wegen der Schäden zog sie vor Gericht und bekam dort 70.000 EUR Schmerzensgeld sowie als Schadensersatz für den Verdienstausfall 21.000 EUR zugesprochen. Grundlage für dieses Urteil ist der Anspruch aus der sogenannten Tierhalterhaftung.

Eine Ausnahme der Tierhalterhaftung böte hier zwar die sogenannte Exkulpationsmöglichkeit, die Halter von der Ersatzpflicht befreien könnte. Voraussetzung hierfür ist aber zum einen der Umstand, dass das betreffende Tier der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient. Zum anderen muss der Tierhalter dabei auch bei der Beaufsichtigung des Tiers die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und im Schadensfall beweisen können, dass der Schaden auch trotz Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Und beide Grundvorausetzungen konnte der Halter hier nicht erfüllen: Denn weder ist ein Kamel nach Auffassung der Stuttgarter Richter ein in Deutschland gängiges Haus- oder Nutztier noch erfüllte die Tatsache, die Tiere nicht einzeln, sondern zu mehreren an der Kette zu führen, die genannte Sorgfaltspflicht.

Hinweis: Vorsicht also bei einem Betrieb, dessen Existenz sich auf die Haltung von in Deutschland ungewöhnlichen Tieren stützt. Denn bei einem Kamel handelt es sich laut Rechtsmeinung schon einmal nicht um ein Haus- und Nutztier – jedenfalls nicht hierzulande. Deshalb kann sich ein Kamelführer auch nicht auf das gesetzliche Privileg des Haustierhalters berufen.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 07.06.2018 – 13 U 194/17

Thema: Sonstiges

Keine Exkulpationsmöglichkeit: Ein Kamel gilt bei Schadensfragen in Deutschland nicht als Haus- oder Nutztier

Jeder Tierbesitzer sollte wissen, dass er für Unfälle zu haften hat, die durch seine/n tierischen Gefährten verursacht werden. Welche Grundlagen für die entsprechende Tierhalterhaftung und welche Voraussetzungen für entsprechende Ausnahmen gelten, zeigt der folgende Fall.


Auf einer Kamelfarm in Deutschland verunglückte eine Frau, die auf einem der Kamele saß, die an einer Kette geführt wurden. Als sich die Tiere durch Hundegebell erschraken und eine abrupte Linksdrehung machten, stürzte sie aus einer Höhe von knapp zwei Metern zu Boden und erlitt dabei schwere Kopfverletzungen. Wegen der Schäden zog sie vor Gericht und bekam dort 70.000 EUR Schmerzensgeld sowie als Schadensersatz für den Verdienstausfall 21.000 EUR zugesprochen. Grundlage für dieses Urteil ist der Anspruch aus der sogenannten Tierhalterhaftung.

Eine Ausnahme der Tierhalterhaftung böte hier zwar die sogenannte Exkulpationsmöglichkeit, die Halter von der Ersatzpflicht befreien könnte. Voraussetzung hierfür ist aber zum einen der Umstand, dass das betreffende Tier der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient. Zum anderen muss der Tierhalter dabei auch bei der Beaufsichtigung des Tiers die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und im Schadensfall beweisen können, dass der Schaden auch trotz Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Und beide Grundvorausetzungen konnte der Halter hier nicht erfüllen: Denn weder ist ein Kamel nach Auffassung der Stuttgarter Richter ein in Deutschland gängiges Haus- oder Nutztier noch erfüllte die Tatsache, die Tiere nicht einzeln, sondern zu mehreren an der Kette zu führen, die genannte Sorgfaltspflicht.

Hinweis: Vorsicht also bei einem Betrieb, dessen Existenz sich auf die Haltung von in Deutschland ungewöhnlichen Tieren stützt. Denn bei einem Kamel handelt es sich laut Rechtsmeinung schon einmal nicht um ein Haus- und Nutztier – jedenfalls nicht hierzulande. Deshalb kann sich ein Kamelführer auch nicht auf das gesetzliche Privileg des Haustierhalters berufen.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 07.06.2018 – 13 U 194/17

Thema: Sonstiges

Ungeborener Sohn: Es muss eindeutig sein, dass ein Testament auch bei Wissen um neue Umstände hätte gelten sollen

Nach der gesetzlichen Regelung kann ein Testament angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der erst nach Testamentserrichtung geboren wurde. Eine solche Anfechtung ist nur ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die gleichen Verfügungen getroffen hätte.


Ein Mann hinterließ nach seinem Suizid ein handschriftliches Testament, in dem er anordnete, dass sein Vermögen „zu gleichen Teilen unter meinen Kindern … verteilt wird“. Die Kinder stammten aus früheren Beziehungen, er hatte jedoch einige Monate vor seinem Tod ein weiteres Mal geheiratet. Die Witwe griff das Testament nun an mit der Begründung, dass darin ihr gemeinsames Kind nicht erwähnt wurde, das erst nach dem Tod des Mannes geboren wurde. Die anderen Kinder argumentierten dagegen, dass der Mann noch vor seinem Tod von der Schwangerschaft erfahren hatte und daher eine entsprechende Regelung für sein ungeborenes Kind hätte treffen können – wenn er das gewollt hätte.

Das Gericht stellte klar, dass die Vermutung, dass der Erblasser bei Kenntnis von seiner Existenz den weiteren Pflichtteilsberechtigten im Testament berücksichtigt hätte, nicht schon dadurch widerlegt wird, dass der Erblasser untätig bleibt und sein Testament nicht ändert. In diesem Fall ließ sich auch nicht positiv feststellen, dass er das Testament genauso auch in Kenntnis von dem weiteren Kind formuliert hätte. Damit konnte die Ehefrau das Testament für ihr Kind wirksam anfechten. Die Anfechtung führte nach Auffassung des Gerichts zur Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung, so dass die gesetzliche Erbfolge eintrat und die Ehefrau sowie ihr Kind auch zu Erben wurden.

Hinweis: In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei einer Anfechtung in einem solchen Fall das gesamte Testament oder nur Teile davon nichtig sind. In diesem Urteil wurde erneut die Auffassung bestätigt, dass einzelne Verfügungen nur dann wirksam bleiben, wenn positiv feststellbar ist, dass sie der Erblasser so auch getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.05.2018 – 8 W 302/16

Thema: Erbrecht

Vorsorge ist Privatsache: Stuttgarter Gericht setzt auf Wahlfreiheit bei der Anlage des Altersvorsorgeunterhalts

Unterhalt wird in erster Linie in der Form des sogenannten Elementarunterhalts geltend gemacht. Dieser Unterhalt ist jener, der für die Bestreitung der normalen Kosten des täglichen Lebens benötigt wird. Daneben kann – wenn die wirtschaftlichen Umstände dies zulassen – Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht werden. Dafür gelten aber Besonderheiten.

Beim Vorsorgeunterhalt geht es um Geld für die Altersvorsorge des Unterhaltsberechtigten und nicht etwa um die Deckung des täglichen Bedarfs. Die Berechnung dieses Unterhalts ist dabei nicht ganz einfach, denn er tritt in eine Wechselwirkung mit dem Elementarunterhalt ein. Die Folge: Der Elementarunterhalt fällt dann geringer aus. Eine weitere Herausforderung ist für die Rechtsprechung die Frage, wie der Vorsorgeunterhalt einzusetzen ist: Hat der Unterhaltsberechtigte freie Wahl, wie er seine Altersvorsorge mit diesem Geld betreibt, oder muss er sich an irgendwelche Vorgaben halten? Und wenn ja, an welche?

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat dazu jetzt eine weite Auffassung vertreten. Danach muss das Geld, das als Vorsorgeunterhalt bezahlt wird, nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt werden. Vielmehr besteht Wahlfreiheit. Es kann in einen Investmentfonds oder eine sonstige private Rentenversicherung eingezahlt werden. Der entsprechende Vertrag muss nicht zertifiziert sein. Auch eine bestimmte Mindestrendite fordert das OLG für den Einsatz des Geldes nicht – im zur Entscheidung vorgelegten Fall lag diese bei 2 %, was das Gericht nicht beanstandete.

Hinweis: Altersvorsorge ist schwierig und wichtig. In der ersten Phase der Trennung wird sie oft nicht thematisiert, später wird das Thema dann auch eher stiefmütterlich behandelt. Es bedarf fachkundiger Beratung, um in diesem Bereich bestehende Ansprüche nicht zu vernachlässigen und sie richtig geltend zu machen. Unterhaltsfragen sollte gerade auch unter diesem Aspekt durch kompetente Beratung begegnet werden.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.02.2018 – 11 UF 229/17

zum Thema: Familienrecht