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Schlagwort: OLG Stuttgart

Trotz Pflichtteilsstrafklausel: Klausel mit einer aufschiebend bedingten Enterbung verliert Wirkung nach dem Erbfall

Ehepaare setzen sich häufig gegenseitig als Alleinerben, ihre gemeinsamen Kinder erst zu Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehepartners ein. Um zu verhindern, dass ein Kind beim Tod des erstversterbenden Elternteils schon seinen Pflichtteil beansprucht, werden üblicherweise Pflichtteilsstrafklauseln eingefügt. Diese bestimmen, dass ein Kind nach dem längerlebenden Ehegatten enterbt wird, sobald es nach dem zuerst versterbenden Ehegatten seinen Pflichtteil beansprucht.

Ein Ehepaar setzte sich in einem Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmte, dass ihre beiden Kinder ein Geldvermächtnis in Höhe des Werts des gesetzlichen Erbteils bekommen sollten. Dieses sollte aber erst nach dem Tod des Letztversterbenden ausgezahlt werden. Weiterhin wurde bestimmt, dass, sofern eines der Kinder nach dem Tod des Zuerstversterbenden unter Ausschlagung des Vermächtnisses den Pflichtteil verlangt, dieses Kind und dessen Abkömmlinge von der Erbfolge am Überlebenden ausgeschlossen sind. Nachdem zunächst der Vater und dann die Mutter verstarben, forderte eines der Kinder zusätzlich auch den Pflichtteil nach dem Vermögen des Vaters. Das andere Kind wehrte sich dagegen und trug vor, dass die Forderung des Pflichtteils aufgrund des Erbvertrags zur Enterbung führt.

Das Gericht entschied, dass hier eine Pflichtteilsstrafklausel mit einer aufschiebend bedingten Enterbung vorlag. Diese Klausel kann jedoch nur Wirkung bis zum Tod des Letztversterbenden entfalten und somit zum Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge führen. Ziel einer solchen Klausel ist es, das Vermögen nach dem Tod des Vaters für die Mutter zusammenzuhalten. Da das Kind den Pflichtteil erst nach dem Tod der Mutter gefordert hatte, verstieß es also nicht gegen die Klausel und wurde neben dem Bruder Erbe zum hälftigen Teil.

Hinweis: Eine Pflichtteilsstrafklausel führt nur dazu, dass ein Kind nur für beide Elternteile den Pflichtteil verlangen kann – jedoch nicht, dass es ganz leer ausgeht. Nur durch eine notarielle Vereinbarung mit dem Kind kann dieses ganz auf seinen Pflichtteil verzichten. Wichtig ist dabei auch, ob die Klausel wie hier als aufschiebend bedingte Enterbung oder als auflösend bedingte Erbeinsetzung formuliert ist. Aufschiebende Bedingungen verlieren mit Eintritt des Erbfalls – also dem Tod des Letztversterbenden – ihre Gültigkeit, während auflösende Bedingungen auch darüber hinaus gelten können.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.08.2017 – 8 W 336/15

Thema: Erbrecht

Zwölfjährige verursacht Unfall: Die altersgemäß vorhandene Einsicht in das eigene Fehlverhalten spricht für eine Haupthaftung

Steigt ein zwölf Jahre altes Kind nach einem Schulausflug nachts aus einem Reisebus, überquert dabei hinter dem Bus die Straße und verunfallt draufhin mit einem Motorradfahrer, trifft das Kind ein Mitverschulden von 2/3.

Eine zum Unfallzeitpunkt zwölfjährige Schülerin stieg Mitte April gegen 22:00 Uhr aus einem Bus und überquerte anschließend hinter diesem eine Ortsdurchfahrtsstraße, wo es dann zu einer Kollision mit einem Motorradfahrer kam. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart trägt das Kind am Zustandekommen des Unfalls ein Mitverschulden in Höhe von 2/3. Da die Schülerin zum Unfallzeitpunkt bereits zwölf Jahre alt war, ist ein Mitverschulden nur dann ausgeschlossen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung noch nicht die erforderliche Einsicht in ihr Fehlverhalten gehabt hätte. Hiervon war im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen. Vielmehr habe sie gegen die ihr bekannte Pflicht verstoßen, die Fahrbahn nur unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zu überqueren – besonders auch deshalb, weil sie nachts hinter dem Bus die Straße überquert hat. Sie war für den herankommenden Motorradfahrer also nicht zu erkennen. Auch wenn den Motorradfahrer kein direktes Verschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft, haftet er dennoch aus der sogenannten Betriebsgefahr, da ein Unfallrekonstruktionsgutachten eine überhöhte Geschwindigkeit nicht auschließen konnte.

Hinweis: Eine Mithaftung des Motorradfahrers zu 1/3 wurde im vorliegenden Fall nur deshalb angenommen, weil ein Kind beteiligt war. Wäre es mit einem Erwachsenen zum selben Unfall gekommen, hätte das Gericht wahrscheinlich eine alleinige Haftung des Erwachsenen angenommen. Der Bundesgerichtshof hat nämlich entschieden, dass ein Mitverschulden von Kindern und Jugendlichen meist geringer zu bewerten ist als das entsprechende Mitverschulden eines Erwachsenen. Eine völlige Freistellung von der Gefährdungshaftung wegen eines grob verkehrswidrigen Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen setzt ferner immer voraus, dass ein Sorgfaltsverstoß altersspezifisch auch objektiv besonders vorwerfbar ist.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 09.03.2017 – 13 U 143/16

Thema: Verkehrsrecht

Zähes Sorgerechtsverfahren: Beschleunigungsbeschwerde des Vaters scheitert wegen mangelnder Entscheidungsreife

Kindschaftssachen sind bei Gericht vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Andernfalls kann eine sogenannte Beschleunigungsrüge erhoben werden. Aber was heißt denn überhaupt „vorrangig und beschleunigt“?

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte über genau diese Frage zu entscheiden: In einer kaum mehr zu überblickenden Anzahl von Verfahren stritten die verheirateten Eltern in nahezu jeglicher Hinsicht miteinander vor Gericht. Eine Fülle von Verfahren betraf dabei die Frage nach dem Umgang und der elterlichen Sorge hinsichtlich der zwei minderjährigen Kinder. Beide lebten bei der Mutter, und diese warf den Verwandten des Mannes – nicht ihm – den sexuellen Missbrauch der Kinder vor. Viele Details machten hierbei die ganze Sache zusätzlich heikel: So hatten die Ehegatten beispielsweise nach der Trennung und während der laufenden Verfahren sexuellen Kontakt, bei dem die Frau schwanger wurde, ferner versteckte die Mutter bei einem Besuch einen Spionagestick in der Hose eines der Kinder, lehnte im gerichtlichen Verfahren erfolglos einen Sachverständigen ab und wechselte zudem irgendwann ihren Anwalt. So zog sich der Fall entsprechend hin.

Das OLG wies jedoch die vom Kindesvater eingelegte Beschleunigungsrüge zurück. Es gibt im Gesetz keine Frist, innerhalb derer in Kindschaftssachen eine Entscheidung ergangen sein muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nimmt zum Beispiel bei einer Verfahrensdauer von vier Jahren und zehn Monaten einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot an, das Bundesverfassungsgericht bereits nach 17 Monaten. Es kommt also auf den Einzelfall an und dabei – und dies unterstreicht nun das OLG besonders – darauf, ob die Verzögerung auf ein Verhalten des Gerichts oder der Beteiligten zurückzuführen sei. Da es vorliegend vor allem die Kindesmutter war, die mit erheblichen Vorwürfen und ihrem Verhalten dafür sorgte, dass das Gericht noch nicht entscheiden konnte, hatte die Rüge des Vaters nach einer Verfahrensdauer von etwas mehr als einem Jahr keinen Erfolg.

Hinweis: Das OLG hat dem Mann in seiner Entscheidung vorgeworfen, sich zu wenig um den Erlass einer einstweiligen Anordnung gekümmert zu haben. Die rechtlich relevanten Schritte zu gehen, bedarf der anwaltschaftlichen Unterstützung.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2017 – 17 WF 31/17

  Familienrecht

Zugewinn und Fristverjährung: Auskunftsanspruch besteht nur bei gleichzeitigem Geltendmachen güterrechtlicher Ansprüche

Die gesetzliche Regelung ist klar: Die Ansprüche auf einen Zugewinnausgleich verjähren innerhalb von drei Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Güterstand rechtskräftig beendet wurde. Aber gilt dies uneingeschränkt?

Der Frage ging das Oberlandesgericht Stuttgart nach. Im Jahr 2012 wurden die Ehegatten geschieden. Nicht nur der Scheidungstermin fand in diesem Jahr statt, auch die Rechtskraft der Scheidung trat in diesem Jahr ein. Damit hatten die Ehegatten bis Ende des Jahres 2015 Zeit, um etwaige güterrechtliche Ansprüche zu klären. Während des Scheidungsverfahrens hatten die Ehegatten bzw. deren Anwälte wegen des Zugewinnausgleichs korrespondiert, danach nicht mehr. Aber Ende 2015 – also noch kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist – reichte die Frau einen Antrag auf Klärung ihrer Zugewinnausgleichsansprüche gegen den Mann ein: Er solle Auskunft über sein End- und sein Anfangsvermögen erteilen, damit sie ihren Anspruch berechnen könne. Im Gegenzug verlangte der Mann schließlich auch Auskunft über das End- und Anfangsvermögen der Frau, da nur in Höhe der Hälfte des Betrags Zugewinnausgleich verlangt werden kann, den der Zugewinn des einen Ehegatten den des anderen übersteigt.

Mit diesem Antrag drang der Mann jedoch nicht durch. Ein solcher Auskunftsanspruch besteht nämlich nur, wenn gleichzeitig güterrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Das aber war nach Ablauf des Jahres 2015 nicht mehr möglich – ein etwaiger Anspruch des Mannes war verjährt. Lediglich in einer Hinsicht hatte der Mann Erfolg: Er besitzt auch einen Anspruch auf Auskunft über treuwidrige Vermögensverfügungen des anderen Ehegatten aus der Zeit der letzten zehn Jahre vor Einleitung des Scheidungsverfahrens. Dieser Anspruch kann noch geltend gemacht werden, soweit dieser die Zeit vor der Trennung betrifft. Denn erst, wenn ein Ehegatte Zugewinnausgleich verlangt, besteht ein ernsthafter Grund, einen solchen Anspruch zu verfolgen.

Hinweis: Güterrechtliche Fragen sind bei der Scheidung oft nicht geklärt. Es ist riskant, sie nach dem Stress mit der Scheidung auf die lange Bank zu schieben.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.03.2017 – 11 UF 83/16

  Familienrecht

Bestimmung des Zugewinnausgleichs: Ein Erbe hat einen Auskunftsanspruch, selbst wenn er keinen Ausgleich geltend machen kann

Im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung sind stets die güterrechtlichen Ansprüche zu prüfen. Um eine solche Prüfung vornehmen zu können, kann über die Vermögenshöhe des Ehegatten die entsprechend notwendige Auskunft verlangt werden. Kann ein solcher Auskunftsanspruch auch bestehen, wenn überhaupt gar kein Zugewinnausgleich verlangt werden kann?

Diese Frage beschäftigte das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG). Hier lebten die beiden Ehegatten getrennt; der Mann reichte den Scheidungsantrag ein. Doch noch vor der Scheidung verstarb die Frau. Der Mann forderte daraufhin ihren Erben auf, ihm die Auskunft über das Vermögen der verstorbenen Frau (also den Nachlass) zu erteilen, um den Zugewinnausgleich berechnen und entsprechend erhalten zu können. Der Erbe erteilte ihm dann auch die gewünschte Auskunft – verlangte aber seinerseits nun ebenso eine Auskunft von ihm. Der Mann weigerte sich jedoch, diese zu erteilen. Das Gesetz bestimmt nämlich, dass der Erbe einen güterrechtlichen Anspruch nicht mehr geltend machen kann, den der verstorbene Ehegatte nicht bereits geltend gemacht hat. Da die Frau hier keinen Anspruch zu Lebzeiten geltend gemacht hatte, konnte sie diesen somit auch nicht vererben. Wozu, so die Argumentation des Mannes, solle er nun also Auskunft erteilen müssen, wenn der Erbe vom ihm gar keinen Zugewinnausgleich verlangen könne?

 

Das OLG konnte ihm diese Frage beantworten – allerdings kaum zu dessen Zufriedenheit. Denn Zugewinnausgleich bedeutet, dass bei beiden Ehegatten der Zugewinn zu bestimmen ist. Wer mehr Zugewinn erworben hat, muss die Hälfte des errechneten Unterschieds dem anderen gegenüber als Zugewinnausgleich leisten. Für diese Berechnung muss der Erbe also auch wissen, wie hoch der Zugewinn des Mannes eigentlich ist – auch wenn er in keinem Fall ausgleichsberechtigt sein kann. Wäre dem nicht so, würde der Zugewinnausgleich allein anhand des Vermögens der Frau bestimmt werden. Selbst wenn der Erbe also selber keinen Zugewinnausgleich als eigentlichen Hauptanspruch geltend machen kann, muss für ihn hier der sogenannte vorbereitende Hilfsanspruch gelten.

Hinweis: Güterrechtliche Fragen sind in aller Regel komplexer, als dies oft auf den ersten Blick den Eindruck macht. Schon deshalb ist es angebracht, ihre Beantwortung fachkundigen Beratern zu überlassen.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.09.2016 – 16 UF 91/16

Thema: Familienrecht

Eintritt in die Volljährigkeit: Das mündige Kind kann die Auszahlung des Kindergeldes von seinen Eltern verlangen

Kindergeld ist eine staatliche Leistung, die für die Kinder gezahlt wird, aber nicht an sie. Bezogen wird es stattdessen von einem der Elternteile. Ist ein Kind volljährig geworden, kann es aber die direkte Auszahlung des Kindergeldes verlangen.

Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart kürzlich so entschieden. Das Kindergeld bezog dabei der Vater. Das volljährige Kind studierte und verlangte von ihm die Weiterleitung, also auch die Auszahlung. Und das mit dem Fall betraute Gericht verpflichtete den Vater auch zur Zahlung.

Minderjährige Kinder, die bei einem Elternteil leben, erhalten von diesem den ihnen zustehenden Unterhalt als sogenannten „Naturalunterhalt“ in Form der Betreuung. Der andere Elternteil muss diesen Unterhalt zahlen und erbringt damit den sogenannten „Barunterhalt“. Diese beiden Unterhaltsarten sind dem Gesetz nach einander gleichgestellt. Hinzu kommt nun noch das staatliche Kindergeld. Dieses erhält zumeist der Elternteil, bei dem das Kind lebt. Da durch dieses Kindergeld sowohl die betreuende als auch die zahlende Unterhaltsleistung unterstützt werden sollen, behält der betreuende Elternteil das komplette Kindergeld; im Gegenzug reduziert sich dafür auch der Unterhalt, den der Barunterhaltspflichtige zu entrichten hat, um die Hälfte dieses Kindergeldbetrags.

Letzten Endes soll das Kindergeld – man ahnt es bei der Bezeichnung fast – dem Kind zugutekommen. Dieses hat mit Eintritt seiner Volljährigkeit den Anspruch, dass ihm das Kindergeld von dem beziehenden Elternteil ausbezahlt wird. Denn ab sofort sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig – das heißt, die Möglichkeit des Naturalunterhalts erlischt mit der Tatsache, dass dem nun erwachsenen Kind gegenüber keine Betreuungsleistungen mehr zu erbringen sind.

Ist gerichtlich oder sonst verbindlich geregelt, welcher Unterhalt von den Eltern an das Kind zu zahlen ist, ist dies in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Die Auszahlung des Kindergeldes kann also unabhängig davon verlangt werden, in welcher Höhe Kindesunterhalt zu zahlen ist.

Hinweis: Wichtig ist beim Kindesunterhalt, wie lange dieser zu zahlen ist. Wechsel in der Ausbildung sind teilweise hinzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch das Kindergeld von Bedeutung. Die Rechtsprechung neigt zu der Ansicht, dass Unterhalt maximal so lange zu zahlen ist, wie Kindergeld bezogen werden kann.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.01.2017 – 17 UF 193/16

Thema: Familienrecht

Unauffindbares Testament: Kein inhaltlicher Nachweis durch Nachschrift eines Beteiligten möglich

Es kommt immer wieder vor, dass ein Testament nach dem Tod des Erblassers nicht mehr auffindbar ist. Für die potentiellen Erben stellt sich dann die Frage, ob und wie dessen Inhalt nun noch bewiesen werden kann.

Nach dem Tod eines Mannes legte ein befreundetes Ehepaar ein Schreiben vor, in dem auf ein vorheriges Testament Bezug genommen wurde. Dieses Testament war jedoch nicht mehr auffindbar. Das Ehepaar gab an, das verschollene Testament gekannt zu haben, erstellte eine Nachschrift des Inhalts und gab eine entsprechende eidesstattliche Versicherung ab.

Das Gericht entschied, dass der Inhalt verschollener Testamente zwar auch auf andere Art bewiesen werden kann, jedoch ist eine eidesstattliche Versicherung eines Beteiligten, der selbst als Erbe in Frage kommt und somit ein unmittelbares Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, ungeeignet.

Hinweis: Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht automatisch ungültig, wenn die Originalurkunde nicht vorgelegt werden kann. Form und Inhalt des Testaments können zum Beispiel durch Kopien, Durchschriften, Zeugen oder Sachverständige nachgewiesen werden. Eine solche Beweisführung ist in der Praxis aber üblicherweise sehr schwierig. Derjenige, der sich auf ein unauffindbares Testament beruft, trägt insofern die Feststellungslast. Daher empfiehlt es sich, Testamente so aufzubewahren, dass diese nicht verloren gehen oder vernichtet werden können – etwa durch Hinterlegung beim Amtsgericht.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.01.2016 – 8 W 23/15
Thema: Erbrecht

Verkaufserlös nach Trennung: Gemeinsam angeschaffter Familienwagen gilt als Haushaltsgegenstand

Eine Trennung bringt Probleme mit sich, deren Lösungen naturgemäß nicht lange auf sich warten lassen wollen.

So kann sich zum Beispiel die Frage ergeben, ob ein Ehegatte das Familienauto ohne Zustimmung des anderen verkaufen kann.

Beim gemeinsamen Autokauf eines Paars entscheidet die geplante Verwendung über die Frage „Familienkutsche oder Cabriolet?“ In diesem Fall hatten sich Eltern einen größeren Wagen angeschafft, um damit die Familieneinkäufe zu erledigen, die Kinder und auch deren Freunde zu transportieren und damit in den Urlaub zu fahren. Als die Ehegatten sich trennen, können sie sich über ihre finanziellen Verhältnisse nicht einigen – insbesondere nicht über die Höhe des zu zahlenden Unterhalts. Um sich Liquidität zu verschaffen, will einer der Ehegatten das Familienauto verkaufen und den Erlös zur Deckung der Kosten des täglichen Lebens einsetzen. Geht das?

Wer die Papiere des Fahrzeugs hat, kann den Wagen prinzipiell verkaufen. Er darf in diesem Fall den Verkaufserlös allerdings nicht für sich allein behalten. Der Familienwagen ist juristisch ein Haushaltsgegenstand. Wurde dieser während der Ehe und wie beschrieben für den gemeinsamen Haushalt angeschafft, gilt er als gemeinsames Eigentum der Ehegatten. Somit ist der Erlös auch auf beide Ehegatten hälftig zu verteilen. Im Fall des Verkaufs kann der andere Ehegatte also die Auszahlung des hälftigen Verkaufserlöses verlangen.

Hinweis: Vorstehend beschriebene Situation gilt nur, wenn es sich um einen während der Ehe gekauften Wagen handelt. Hat ein Ehegatten bereits vor der Eheschließung einen Pkw gekauft, ist es allein sein Auto und er kann allein darüber verfügen – auch dann, wenn der Wagen in der Ehe überwiegend oder sogar ausschließlich für Familienzwecke genutzt wird. Außerdem ist auf die Nutzung des Pkw zu achten. Ein Pkw, den ein Ehegatte allein für sich benutzt – zum Beispiel für den Arbeitsweg -, ist ebenfalls nicht als Haushaltsgegenstand anzusehen.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.02.2016 – 16 UF 195/15
Thema: Familienrecht

Bei rosigen Einkommensverhältnissen: Bestimmung des Ehegattenunterhalts durch konkrete Bedarfsermittlung statt durch Quote

Bei Trennung und Scheidung richtet sich die Höhe des zu zahlenden Unterhalts nach den wirtschaftlichen Verhältnissen. Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto mehr Unterhalt ist zu zahlen. Gelegentlich stellt sich allerdings die Frage nach der Obergrenze bei der Unterhaltsbestimmung.

Verdient ein Unterhaltspflichtiger ein Durchschnittseinkommen, wird der bei Trennung und Scheidung an den anderen Ehegatten zu zahlende Unterhalt nach einer Quote bestimmt. Diese fällt – nach vorherigem Abzug des Kindesunterhalts und unter Berücksichtigung von Mindestbeiträgen sowie evtl. Besonderheiten – je nach Bezirk leicht unterschiedlich aus, folgt aber stets demselben Prinzip.

Etwas anderes gilt, wenn ein Einkommen so hoch ist, dass es nicht vollständig zum Leben benötigt wird, sondern Mittel in die Vermögensbildung fließen können. Dazu bedarf es nicht der Einkünfte, wie sie bei Spitzenmanagern vorherrschen – sehr gute Einkommensverhältnisse sind für die Änderung des Berechnungsprinzips nach Quote dennoch nötig. In solchen Fällen wird der Unterhalt dann nämlich konkret bestimmt – also danach, was tatsächlich zum Leben des Unterhaltsberechtigten benötigt wird.

Wo aber die Grenze zu ziehen ist, hat die Rechtsprechung bisher noch nicht festgelegt. Neuerdings tendiert sie dazu, von der quotierten Unterhaltsberechnung auf die konkrete Unterhaltsberechnung zu wechseln, sobald dem unterhaltsberechtigten Ehegatten laut quotierter Berechnung mehr als 5.000 EUR pro Monat zur Verfügung stünden.

Hinweis: Ein Rechenbeispiel zur Veranschaulichung der derzeitigen Praxis: Ein kinderloses Paar trennt sich, der Mann verdient 6.500 EUR und die Frau weist Einkünfte von 2.400 EUR auf. Die bezirksübliche Quote von 45 % veranschlagt den Unterhalt hier folglich auf 1.845 EUR ((6.500 EUR – 2.400 EUR) x 0,45). Der Frau stehen somit durch Einkünfte und Unterhalt insgesamt 4.245 EUR zur Verfügung – ein Betrag unterhalb der Grenze, ab der in der gängigen Praxis die Quotenberechnung durch die konkrete Berechnung abgelöst wird.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.09.2015 – 11 UF 100/15

Thema: Familienrecht

Härtefallscheidung: Voraussetzungen liegen nur selten vor

Grundsätzlich gilt, dass eine Ehe erst nach Ablauf eines Trennungsjahres als gescheitert angesehen und geschieden werden kann. Etwas anderes gilt, wenn ein Ehepartner ein Verhalten an den Tag legt, das es unzumutbar erscheinen lässt, das Trennungsjahr abwarten zu müssen. Die praktische Bedeutung dieser Ausnahmeregelung war schon immer gering – und so wird es auch in Zukunft bleiben.

Ob das von einem Ehegatten an den Tag gelegte Verhalten als unzumutbar anzusehen ist, wird naturgemäß unterschiedlich bewertet. Die Rechtsprechung war diesbezüglich von jeher eher streng. Einfaches Fremdgehen reicht so bei weitem nicht aus, eine vorzeitige Scheidung verlangen zu können.

Schon deshalb ist es nur in extremen Ausnahmesituationen möglich, vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden zu werden. Hinzu kommt: Mit der Scheidung ist auch über den Versorgungsausgleich zu entscheiden. Das bedeutet, dass die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften der beteiligten Ehegatten je hälftig aufzuteilen sind. Die Klärung der Versicherungskonten nimmt normalerweise längere Zeit in Anspruch. Wer die Scheidung wegen besonderer Härte vor Ablauf des Trennungsjahres verlangen kann, wird ein Interesse daran haben, dass zunächst geschieden und erst danach und separat der Versorgungsausgleich durchgeführt wird. Dies sei aber nicht zulässig. Auch in einem Härtefall sind also erst die Versicherungskonten zu klären, bevor die Scheidung erfolgen kann.

Hinweis: Berater empfehlen daher in der Regel zu Recht, von einem vorzeitigen Scheidungsantrag abzusehen. Die besonderen Härtevoraussetzungen liegen nur allzu selten vor. Ist dies ausnahmsweise einmal anders, bedeutet dies – wie dargestellt – nicht automatisch, auch tatsächlich rascher geschieden werden zu können.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.09.2015 – 11 UF 76/15

Thema: Familienrecht